Von Alexander Weis und Gerd Kommer
(Dieser Beitrag wurde im Mai 2023 aktualisiert.)
Wer über Wechselkurssicherung (Wechselkurs-Hedging) in einem global diversifizierten ETF-Portfolio nachdenkt, sollte sich zunächst einige zentrale Teilaspekte dieses Sachverhaltes vor Augen führen. Diese Teilaspekte überlappen und beeinflussen sich zwar gegenseitig, sind aber eigenständige Gesichtspunkte innerhalb der grundsätzlichen Fragestellung Wechselkurssicherung: Ja oder nein? In diesem Blog-Beitrag behandeln wir diese sieben Teilaspekte der Reihe nach und gelangen so zu einer generellen Einschätzung der Vor- und Nachteile von Währungssicherung. Die Aspekte sind:
(a) die Definition von Währungsrisiko,
(b) das Konzept der „funktionalen Währung“,
(c) das Konzept der „Berichtswährung“,
(d) die Kosten von Wechselkurs-Hedging,
(e) die Unterscheidung zwischen vermeintlichem und tatsächlichem Währungsrisiko,
(f) die unterschiedliche Relevanz von Wechselkurssicherung im Aktien- und Anleihenteil (allgemeiner im Teil mit zinstragenden Anlagen) eines Gesamtportfolios.
Beginnen wir mit (a), der Definition von Währungsrisiko.
Definition von Währungsrisiko
Währungsrisiko ist das Risiko, dass eine Währung A gegenüber einer Währung B im relevanten Zeitraum ab- oder aufwertet und sich diese Änderung nachteilig auf die Rendite des betreffenden Investments auswirkt. Typischerweise steht einem Wechselkursrisiko auch eine symmetrische Wechselkurschance gegenüber.
In diesem Kontext ist zunächst eine grundlegende Einsicht der Finanzmarktforschung festzuhalten: Kaum etwas ist schwerer korrekt zu prognostizieren als die kurz- und mittelfristige Entwicklung von Wechselkursen, denn Devisenmärkte sind vermutlich die informationseffizientesten Finanzmärkte überhaupt. Auf solchen Märkten ist es de facto unmöglich mit öffentlich verfügbaren Informationen nach Kosten, Steuern und Risiko einen systematischen (also nicht nur zeitweiligen und zufälligen) Vorteil gegenüber einem marktneutralen und prognosefreien Ansatz zu erzielen. Daher gilt: Wer sich auf die Wechselkursprognosen von „Experten“ in den Medien oder Banken verlässt, kann genauso gut Esmeralda und ihre Tarotkarten befragen. [1]
Das Konzept der funktionalen Währung
Nun zu (b), der „funktionalen Währung“ eines Privathaushaltes. Sie ist die Währung, in welcher der größte Teil oder alle seiner Zahlungsverpflichtungen (seiner Ausgaben oder Cash-Outflows) in der Zukunft „denominiert“ sind. Man könnte auch einfach sagen: Die „Heimatwährung“ des Haushaltes. Bei einem typischen Haushalt, der in Deutschland lebt, ist das der Euro; bei einem Haushalt in der Schweiz der Schweizer Franken. Das Konzept der funktionalen Währung ist an sich banal, aber seine durchgängige Vergegenwärtigung ist die Grundvoraussetzung, um wirklich zu verstehen, wo überhaupt Wechselkursrisiko besteht und wo nicht.
Zwei funktionale Währungen hat die folgende vierköpfige Familie, die in Konstanz am Bodensee lebt: Ein berufstätiger Ehepartner (derjenige mit dem größeren Gehaltseinkommen) ist Grenzgänger und arbeitet im nahegelegenen Schaffhausen (Schweiz). Er bezieht sein Gehalt in Schweizer Franken. Der andere Ehepartner arbeitet in Konstanz und bezieht ein Euro-Gehalt. Die Familie hat für ihr Konstanzer Eigenheim einen Schweizer-Franken-Kredit aufgenommen, weil das Haupteinkommen in CHF denominiert ist. Der größte Teil der sonstigen Ausgaben für Konsum findet in Deutschland statt, also in Euro. Bei diesem Haushalt könnten die funktionalen Währungen Euro und Schweizer Franken z. B. im Verhältnis 70/30 aufgeteilt sein.
Das Konzept der Berichtswährung
Punkt (c), das Konzept der „Berichtswährung“ eines Portfolios – bei Fonds die so genannte Fondswährung – hat per se keine Relevanz für das Wechselkursrisiko eines Anlegers in diesem Portfolio oder Fonds. Dieser Aspekt von Währungsrisiko wird oft von Finanzjournalisten und Privatanlegern und gelegentlich sogar von Profis missverstanden. Betrachten wir das Beispiel eines ETFs auf den MSCI World Standard Index. Solche ETFs werden in Deutschland sowohl mit der Fondswährung Dollar als auch mit der Fondswährung Euro angeboten. Das Wechselkursrisiko für einen deutschen Privatanleger mit Heimatwährung Euro ist im Falle eines solchen ETF mit der Berichtswährung Euro exakt gleich hoch wie bei einem ETF mit der Berichtswährung Dollar. Die Berichtswährung ist eine willkürlich gewählte Recheneinheit zum Ausdrücken einer von ihr grundsätzlich unabhängigen ökonomischen Substanz. Angenommen der MSCI World Index rentiert in einem gegebenen Kalenderjahr in USD mit 5%. Im gleichen Jahr wertet der EUR gegenüber dem USD um 5% auf. Anleger Franz und Anlegerin Sissi, die in Wien leben (ihre funktionale Währung ist der Euro), haben in zwei MSCI-World-ETFs investiert. Franz (ihm gehört ETF A) hat die Fondswährung USD und Sissi (ihr gehört ETF B) EUR. Wie wirkt sich dieser Unterschied auf die von Franz und Sissi realisierten Renditen aus? Bei ETF A wäre die „berichtete“ Rendite (die Fondsrendite) 5%, also die Rendite in USD. Franz und Sissi kalkulieren aber beide in Euro – nur diese Rendite ist für die beiden am Ende des Tages von Belangen. „Netterweise“ rechnet Franz‘ österreichische Depotbank ihm die USD-Rendite von ETF A im monatlichen Depot-Report in Euro um und in Euro sind es 0%. Beim ansonsten identischen ETF B von Sissi mit der Fondswährung Euro ist die berichtete Rendite von vornherein 0%, weil bereits die Fondsgesellschaft die Umrechnung vorgenommen hat. Das Ergebnis ist gehupft wie gesprungen. Ergo: Die Berichtswährung eines Fonds ist wirtschaftlich bedeutungslos. Für das echte Währungsrisiko in einer bestimmten funktionalen Währung kommt es nur auf die ökonomische Substanz an, die natürlich in beiden ETFs identisch ist – schließlich replizieren sie denselben Index. Der Umstand, dass mehrere Fonds für ein und denselben Index angeboten werden, die unterschiedliche Berichtswährungen haben, ist ein irrelevantes Marketing-Gimmick, das Anlegern einen nicht existierenden Unterschied beim Risiko suggeriert.
Die Kosten von Wechselkurs-Hedging
Nun zu Aspekt (d), den Kosten. Wechselkurssicherung ist nicht gratis und je langfristiger solches Hedging ist, desto tendenziell teurer wird es. Ferner: Je „exotischer“ das abzusichernde Währungspaar ist, desto kostspieliger wird die Absicherung. Kurzfristiges Hedging zwischen den „Hauptwährungen“ (Dollar, Euro, Pfund und Yen) ist am billigsten. Dank des technologischen Fortschritts dürfte für große institutionelle Anleger (also auch Investmentfonds) Währungs-Hedging in den Hauptwährungen sehr billig sein, aber es ist auch für sie nicht kostenlos. Zur Illustration: Währungsgesicherte ETFs auf den MSCI World Standard Index haben gegenüber der unabgesicherten ETF-Variante derzeit Mehrkosten in Form einer höheren „Total Expense Ratio“ (die „Laufenden Kosten“ im Fonds-Fact-Sheet) von rund 0,3%. (Ob diese Differenz auch wirklich alle Hedging-Mehrkosten beinhaltet, sei dahingestellt.) Für Privatanleger, die Währungsabsicherung in Eigenregie betreiben, dürften diese Kosten selbst bei den Hauptwährungen tendenziell um einiges höher sein, wobei die korrekte Quantifizierung im Einzelfall sehr aufwendig sein wird.
Die Unterscheidung zwischen vermeintlichem und tatsächlichem Währungsrisiko
Kommen wir nun zur wichtigsten Überlegung in diesem Artikel, nämlich Punkt (e), der Unterscheidung zwischen vermeintlichem und tatsächlichem Währungsrisiko in einem global diversifizierten Aktienportfolio. Natürlich existiert für einen international anlegenden Aktieninvestor Wechselkursrisiko (das in den meisten Fällen ohnehin Risiko und Chance zugleich ist). Allerdings ist dieses Wechselkursrisiko ein anderes als es sich manche Privatanleger vorstellen und seine echte (statt nur scheinbare) Absicherung in einem global diversifizierten Aktienportfolio dürfte in der Praxis unmöglich sein. Das soll anhand eines Beispiels deutlich werden: Privatanleger Fritz mit der Heimatwährung Euro hat den risikobehafteten Teil seines ETF-Portfolios komplett in einen ETF investiert, der den MSCI World Standard Index repliziert. Dieser Index bildet rund 1.600 Unternehmen prinzipiell aus vermutlich 50 verschiedenen entwickelten Ländern ab und in 23 Industrieländern ihr primäres Börsen-Listing haben. Alle die 23 Börsen-Listing-Länder haben insgesamt 13 verschiedene Währungen. Die größte Einzelposition im MSCI World war Ende 2017 die Aktie von Apple Inc. Apple verkauft seine Erzeugnisse in etwa 150 verschiedenen Ländern und erzielt somit in vielen dutzenden Währungsräumen Einnahmen. Auch die Ausgaben von Apple finden in über hundert verschiedenen Währungsräumen statt. (Gemäß Wikipedia existierten im April 2023 weltweit 180 Währungen.)
Sicherlich ist der US-Dollar-Raum für Apple wirtschaftlich am bedeutendsten, aber er ist gewiss nicht alleine ausschlaggebend. Ähnliches gilt für so gut wie jede dieser 1.600 Firmen im Index, deren mittlere Marktkapitalisierung knapp zehn Milliarden Dollar beträgt (Medianwert). Sie sind also keine Kleinunternehmen, deren gesamtes Geschäft sich im Inland abspielt. Die Gewinne und Cash-Flows keines dieser 1.600 Unternehmen hängen von nur einer Währung ab, ebenso wenig wie die beim Elefanten Apple. Wie genau diese währungsmäßigen Abhängigkeiten im ganzen Portfolio von 1.600 Aktiengesellschaften im Zeitablauf aussehen, kann niemand auf lange Sicht mit vertretbarem Aufwand bestimmen.
In einem noch besser global diversifizierten Portfolio als es der MSCI World Standard Index ist wie z. B. im „MSCI ACWI IMI“ sind auch Small-Cap-Aktien und Schwellenländeraktien vertreten, so dass wir auf rund 9.000 Unternehmen in prinzipiell über 190 Staaten (und über 45 nach dem primären Börsen-Listing). Unterstellt man nur 20 Währungen, die irgendwie in der ökonomischen Substanz eines global diversifizierten Aktienkorbes präsent sind, resultieren bereits 190 potentiell renditebeeinflussenden Wechselkurse, also Währungspaare. Die Formel hierfür lautet (n × (n – 1)) ÷ 2.
Unterstellt man 100 Währungen, sind es 4.950 Wechselkurse. In einem Satz: Wer global diversifiziert, hat Hunderte oder Tausende von Wechselkursrisiken und -chancen im Portfolio. Die Relation zwischen dem USD und der funktionalen Währung des Anlegers ist nur eine davon. Eine einzige oder wenige dieser Relationen (z. B. die zwischen funktionaler Währung und dem USD) zu hedgen, ist letztlich sinnlos. Genau das geschieht jedoch in währungsgesicherten Fonds, einschließlich ETFs.
Diese Wechselkursrisiken verhalten sich zudem oft anders als mancher denkt. Eine Untersuchung zeigte, dass die Aktienmärkte so genannter „Weichwährungsländer“, deren Währungen langfristig vis-à-vis den Hartwährungen (Euro, USD, CHF, GBP, Yen) abwerten, also eine „chronische“ Abwertungstendenz haben, tendenziell ebenso hohe Aktienrenditen aufweisen wie die Hartwährungsländer selbst, natürlich gemessen in Hartwährung (Dimson u. a. 2006). Das könnte mit dem Mehrrisiko in den Weichwährungsländern zu tun haben. Renditen sind nun einmal in erster Linie eine Risikokompensation.
Wer in einem global diversifizierten Aktienportfolio den Wechselkurs zwischen seiner funktionalen Währung und dem USD oder zwischen seiner funktionalen Währung und den Währungen, die dem Sitz der Unternehmen im Portfolio entsprechen, absichert, geht in Wirklichkeit zwei getrennte Geschäfte ein: Ein Investment in einen breit diversifizierten Aktienkorb, in dem ein de facto unentwirrbar komplexes Gemisch von Wechselkurseffekten operiert und eine Spekulation darauf, dass seine Heimatwährung gegenüber diesen letztlich willkürlich ausgewählten Währungen aufwerten wird. Diese verbreitete Form von Wechselkurs-Hedging von globalen Aktienportfolios hat mit der ökonomischen Substanz der Währungseffekte in den Portfolios wenig zu tun.
Der optische Zusammenhang, der für den Anleger durch das saldierte Zusammenwirken des „Grundgeschäfts“ und der Wechselkurswette auf die funktionale Währung, z. B. den EUR oder den CHF, entsteht, hat für unsere Fragestellung keine Aussagekraft. Die Wechselkurswette ist eine separate Zufallsvariable. Diese Form der Währungsabsicherung macht in einem solchen Portfolio aus Ex-ante-Sicht (in die Zukunft gerichtet) für die allermeisten Privatanleger keinen Sinn. Weder lässt sich dadurch langfristig eine zuverlässige Risikosenkung noch eine zuverlässige Renditeerhöhung erreichen. Es existieren viele Zeitfenster, in denen Currency Hedging nicht zu einer geringeren, sondern einem höheren Portfolio-Volatilität geführt hat. Echte Währungsabsicherung, nämlich aller relevanten Wechselkurse ist unmöglich und wäre, würde man es auch nur näherungsweise probieren, viel zu teuer.
Natürlich unterscheiden sich die langfristigen Renditen des Weltaktienmarktes gemessen in unterschiedlichen Währungen jeweils im Rückblick recht deutlich. Das illustriert die Tabelle weiter unten, wobei die Unterschiede bei den wirklich relevanten inflationsbereinigten Renditen gering sind.
Aufgrund der oftmals großen Unterschiede bei den nominalen Renditen in unterschiedlichen Währungen glauben manche Anleger, dass man mit Hedging eines international diversifizierten Aktienportfolios in Zukunft zuverlässig höhere Renditen erzielen könne als ohne Hedging. Sie nehmen an, dass man dadurch verlässlich die höheren Nominalrenditen (oder das niedrigere Risiko) in einer Währung in die eigene Währung „rüberholen“ kann.
Diese Anleger begehen drei mit einander zusammenhängende Denkfehler. Erstens blicken sie auf die größeren Unterschiede zwischen den nominale Renditen, statt auf die kleineren, wirklich relevanten Unterschiede bei den realen Renditen.
Zweitens, verkennen sie den weiter oben ausgeführten Gesichtspunkt, dass nämlich Hedging in einem weltweit diversifizierten Aktienportfolio gegenüber dem USD und oder einer begrenzten Zahl von Hartwährungen in Wirklichkeit Pseudo-Hedging darstellt, weil die tatsächlichen Wechselkursrisiken im Portfolio ja eben gerade nicht abgesichert werden. Stattdessen wird in Wirklichkeit eine separate Wechselkursspekulation vorgenommen. Aus dem konsolidierten Rendite- oder Risikoeffekt auf das Anlegerportfolio – gemessen in ihrer funktionalen Währung – kann man aus einem solchen Hedge ex post eigentlich nur falsche Schlüsse ableiten.
Drittens extrapolieren Anleger unsystematische, zufällige historische Unterschiede zwischen den globalen Aktienmarktrenditen in unterschiedlichen Währungen in die Zukunft. Das ist ebenso irrig wie zu glauben, man könne aus der historischen Über- oder Unterrendite einer einzelnen Aktie hinreichend zuverlässig auf diese Größe in der Zukunft schließen. Dass in kurz- und mittelfristigen Zeiträumen auch langfristige Auf- und Abwertungstrends nicht einmal historisch eine klare Basis für Hedging-Nutzen erkennen lassen, deuten die beiden unteren Zeilen in der Tabelle an.
Tabelle: Rendite des MSCI World Standard Index von 1975 bis 2022 (48 Jahre) in unterschiedlichen Währungen
►[A] Anteil Kalenderjahre, in denen Wechselkurssicherung gegenüber dem USD aus der Sicht eines Anlegers mit der in der jeweiligen Spalte angegebenen funktionalen Währung (Euro, GBP, CHF, Yen) renditemäßig vorteilhaft gewesen wäre (auf Basis realer Renditen, ohne Berücksichtigung von Kosten allgemein, Hedging-Kosten im Besonderen und Steuern). ►[B] Analog zu (A) jedoch bezogen auf nicht überlappende Sechsjahreszeiträume. Der Gesamtzeitraum von 48 Jahren wurde hierfür in 8 Sechsjahreszeiträume aufgeteilt. ►[C] Abstand in Prozentpunkten zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wert. Es wird deutlich, dass die Streubreite bei den realen Renditen viel enger ist als bei nominalen Renditen.
In der wissenschaftlichen Literatur besteht weitgehend Konsens, dass Wechselkurssicherung in einem global diversifizierten Aktienportfolio keinen systematischen, also hinreichend zuverlässigen Vorteil erzeugt (siehe exemplarisch einige Aufsätze im Kasten am Ende dieses Blog-Beitrags). Das dürfte der Grund sein, warum bei ETFs der Anteil der globalen diversifizierten Aktien-ETFs mit Währungsabsicherung sehr gering ist.
Eine abwertende Heimatwährung hat Vorteile und Nachteile zugleich
Unter sonst gleichen Umständen hat die Abwertung der eigenen Währung (der funktionalen Währung) eines Haushaltes einen positiven Renditeeffekt – gerechnet in der funktionalen Währung des Anlegers. Aus dieser Perspektive sollte jeder Anleger aus der Eurozone froh sein über einen abwertenden „schwachen Euro“, obwohl im Internet von YouTubern im Investmentbereich häufig über den angeblich „chronisch schwachen Euro“ gezetert wird (mit Daten lässt sich diese falsche Aussage über die Wechselkursentwicklung des Euros seit seiner Geburt Anfang 1999 übrigens nicht belegen).
Aber auch die Aufwertung des Euros (und die Abwertung des Dollars) hat für Haushalte in der Eurozone einen positiven Effekt: Die Kaufkraft des Anlegerhaushaltes für importierte Güter und Auslandsreisen steigt tendenziell, d. h. die Lebenshaltungskosten des Hausaltes sinken unter sonst gleichen Umständen.
Wenn eine gegebene Wechselkursänderung sich genau entgegengesetzt auf die Rendite der Finanzanlagen und die laufenden Lebenshaltungskosten eines Haushaltes auswirkt, kann man von einem natürlichen Hedge sprechen. Auch dieses Argument spricht gegen einen Wechselkursabsicherung im Aktienteil des Depots.
Wechselkursrisiko im Anleihenteil des Portfolios
Kommen wir zum Schluss noch zu Aspekt (f), der Frage des Wechselkursrisikos bei Anleihen, soweit sie den „risikofreien“ (risikoarmen) Portfolioteil repräsentieren sollen, also den Portfolioteil, der im Weltportfolio-Konzept als Stabilitätsanker dient. Für die Zwecke dieses Newsletters wird der Stabilitätsanker definiert als Portfolioteil aus Anleihen hoher Bonität (die ersten ca. vier Rating-Stufen von etwa 25) [2] und kurzer bis mittlerer Laufzeit in der funktionalen Währung des Anlegers. Sie repräsentieren im Prinzip die risikoärmsten verfügbaren Anlagen – risikoärmer als alles andere, einschließlich Bankguthaben und Immobilien. So ist die Volatilität solcher Anleihen weit niedriger als die von Aktien. (Bankguthaben innerhalb der staatlichen Einlagensicherung fallen ebenfalls in die risikoarme Anlagekategorie, wenn der staatliche Garantiegeber ein entsprechend hohes/gutes Rating hat.)
Der MSCI-World-Aktienindex wies von 1970 bis 2022 eine Volatilität der Kalenderjahresrenditen von etwa 20% auf; deutsche mittelfristige Staatsanleihen jedoch nur ein Viertel davon (rund 5%) und deutsche Geldmarktanlagen sogar nur ein Zehntel (rund 2%). Beim (nominalen) maximalen Drawdown zeigten sich ähnliche Verhältnisse (alle Zahlen in Euro). Mit anderen Worten: Anleihen hoher Qualität sind bei den gängigen Risikokennzahlen drastisch weniger risikoreich als Aktien.
Würde man nun Wechselkursrisiko in diese risikoarme Asset-Klasse einführen, z. B. durch das Kaufen kurz- oder mittelfristiger Fremdwährungsanleihen hoher Qualität (hoher Bonität) ohne Währungs-Hedge, würde die relative hohe Volatilität der Wechselkurse (ca. 11% für die jährlichen Wechselkursschwankungen bei den gängigen Währungspaaren, deutlich mehr bei Schwellenländerwährungen) den grundsätzlichen Niedrig-Risiko-Charakter dieser Asset-Klasse regelrecht überschwemmen und zerstören. Damit würde die Asset-Klasse die Kernfunktion verlieren, für die wir sie schätzen, nämlich die des Sicherheitsankers in einem Portfolio, das aus einem risikobehafteten und einem „risikofreien“ Teil besteht.
Deswegen gilt es, bei Anleihen höherer Qualität Wechselkursrisiko relativ zur funktionalen Währung zu vermeiden. Soweit Fremdwährungsanleihen in einem solchen Portfolioteil enthalten sind, sollte ihr Wechselkursrisiko abgesichert werden. Erfreulicherweise ist Währungs-Hedging bei Anleihenfonds bzw. Anleihen-ETFs viel leichter möglich und globale Streuung weniger wichtig als bei Aktien. Die ETF-Produktlandschaft ist hier recht vielfältig.
Anleihen niedriger Qualität wie deutsche Mittelstandsanleihen, Schwellenländerstaatsanleihen, andere Hochzinsanleihen und generell Anleihen mit einer Restlaufzeit von über ca. fünf Jahren taugen ohnehin nicht für die Stabilitätsankerfunktion. Diese Anleihen muss man dem risikobehafteten Portfolioteil zuordnen. Ob bei ihnen Währungs-Hedging nach Kosten vorteilhaft ist, dürfte eine Einzelfallentscheidung sein.
Fazit
Währungsgesicherte globale Aktien-ETFs sind aus der Sicht eines rationalen, passiven Anlegers angesichts ihrer höheren Kosten und fehlender Vorteile bei Rendite und Risiko in der Regel abzulehnen.
Das Hedging des USD-Wechselkurses oder der Einzelwährungen, denen die im Index enthaltenen Unternehmen „zugeordnet“ sind, alleine wäre in einem global diversifizierten Aktienportfolio eine letztlich sinnlose „Absicherung“ und stellt streng genommen eine separate Wechselkursspekulation dar, die den Grundcharackter eines Aktieninvestments verfälscht und negativ beeinflussen kann.
Die Berichtswährung eines Fonds hat nichts mit echtem Wechselkursrisiko zu tun.
Bei Anleihen, die als Sicherheitsanker im Portfolio dienen, sollte Wechselkursrisiko hingegen strikt vermieden werden, weil sie ihre Risikosenkungsfunktion ansonsten teilweise verlieren.
Eine Aufwertung der Heimatwährung eines Anlegers, die nachteilige Renditeeffekte für sein Finanzportfolio hat, führt zu einer Erhöhung seiner Kaufkraft für importierte Güter und auf Reisen ins Ausland, ist also ein natürlicher Hedge.
Endnoten
[1] Die grundsätzliche Frage nach dem Grund für die Auf- oder Abwertung einer Währung gegenüber einer anderen in einem freien Devisenmarkt ohne (nennenswerte) Zentralbankenintervention lässt sich mithilfe der Zinsparitätentheorie beantworten: Währungen von Ländern mit niedrigen Zinsen werten langfristig gegenüber Währungen von Hochzinsländern auf, da andernfalls risikolose Arbitragemöglichkeiten über so genannte Carry Trades bestünden. Die Abwertung eliminiert diese Gewinnmöglichkeit. Da zwischen Zinsen und Inflation ein enger Zusammenhang besteht, wirkt dieser Zusammenhang auch im Hinblick auf die Unterschiede zwischen den Inflationsraten zweier Länder recht ähnlich. Generell gilt: Währungen von Ländern mit einer langfristig niedrigeren Inflation als die USA werden gegenüber dem USD tendenziell aufwerten und umgekehrt. Natürlich haben neben dem Inflations- und Zinsniveau eine Vielzahl anderer Faktoren Einfluss auf Wechselkursveränderungen und es wird im konkreten Fall nie abschließend beantwortet werden können, warum eine Währung gegenüber einer anderen Währung in einem spezifischen Maße auf- oder abgewertet hat.
[2] Die Bonitätsunterschiede zwischen zwei Rating-Stufen am oberen, guten Ende der Skala sind sehr klein, am unteren Ende der Skala hingegen groß (weit).
Literatur
Chang, Kelly (2009): „Currency Hedging: A Free Lunch?“ (April 2009). Internet-Fundstelle: hier.
Dimson, Elroy / Paul Marsh / Mike Staunton (2006): „ABN AMRO Global Investment Returns Yearbook 2006;“ ABN AMRO; Amsterdam 2006.
Jan Annaert, Jan et al. (2016): „Foreign Exchange Markets and Currency Speculation: Historical Perspectives“; In: „Financial Market History – Reflections on the past for investors today“; CFA Institute Research Foundation; Edited by David Chambers and Elroy Dimson; Dec. 2016.
Peterson, Karin et al. (2014): „To hedge or not to hedge? Evaluating currency exposure in global equity portfolios“; Vanguard Research; Sept. 2014; Internet-Fundstelle: hier.
Phillips, Mary (2015): „Currency Hedging“; Dimensional Fund Advisors; Strategy in Practice; May 2015. Unveröffentlichtes Manuskript.