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Zehn große Anlegerfehler

Von Daniel Kanzler und Gerd Kommer  

Investmentbücher, Print-Artikel, Blog-Beiträge, Podcasts und YouTube-Videos mit Titeln wie „Die zehn größten Anlegerfehler“ oder die „Die 20 schlimmsten Investmentirrtümer“ gibt es im Überfluss. Vor der Abfassung dieses Blog-Beitrags fragten wir uns deshalb, ob wir zu diesem Publikationsberg tatsächlich noch eine weitere Veröffentlichung hinzufügen sollten.

Die Antwort: Ja, solche Anlegerfehler-Publikationen gibt es wie Sand am Meer aber das von ihnen aufgegriffene Problem ist nun einmal allgegenwärtig und in der Tat für den Anlegererfolg oder -misserfolg von Privatanlegern sehr bedeutsam. Derjenige, der die gravierendsten Anlegerfehler nicht macht oder seltener macht, erhöht die Chance, sein persönliches Zielvermögen mit 30, 50 oder 70 Jahren zu erreichen oder zu übertreffen. Umgekehrt erhöht derjenige, der diese Fehler unnötig häufig macht, die Wahrscheinlichkeit seines Scheiterns an diesen Zielen.

Bevor wir gleich die aus unserer Sicht zehn besonders schweren „Anlegersünden“ präsentieren, sei noch angemerkt, dass diese Top Ten eine subjektive Auswahl darstellen. Genauso gut könnte man 50 oder 100 verbreitete Fehler auflisten und bliebe damit immer noch unvollständig. Insbesondere verzichten wir in diesem Beitrag auf die Erläuterung einiger ebenso wichtiger aber eben anderswo schon häufig thematisierten Fehler, wie z. B. das Tolerieren hoher Kosten oder den so genannten Home Bias.

 

Anlegerfehler 1: Die rentabelste aller Asset-Klassen nicht aktiv managen

Weder Aktien noch Immobilien noch Kryptowährungen, noch Gold ist die profitabelste aller Anlageklassen, sondern Humankapital. Humankapital ist der „Barwert“ (Wert in heutigem Geld) aller zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht vereinnahmten, zukünftigen Nettoeinkommen eines Haushaltes oder einer Person. Der Amerikaner Gary Becker erhielt für seine Forschungen zum Humankapitalkonzept 1992 den Wirtschaftsnobelpreis. Statistisch betrachtet, bewegt kein einzelner Einflussfaktor die Tachonadel beim Endvermögen einer Person oder eines Haushaltes mit 50, 60 oder 70 Jahren stärker als die Höhe und Entwicklung des Humankapitals.

Das Humankapital eines 25-jährigen Hochschulabsolventen in Deutschland beträgt rund zwei Millionen Euro in heutigem Geld, wenn er bis 65 arbeitet, ein durchschnittlich vermarktbares Studienfach gewählt und eine in dieser Kategorie ganz normale Erwerbsbiographie hat. Arbeitet er fünf Jahre länger, steigt sein HK um in heutigem Geld ausgedrückt um rund 350.000 Euro und sinkt um etwa diesen Betrag, wenn er fünf Jahre früher in Rente geht. Für jemand ohne Studium aber mit einer gesuchten Handwerksausbildung sehen die Zahlen nicht viel anders aus.

Wie kann man sein HK managen und erhöhen? Indem man sich ein im Markt wirtschaftlich attraktives „Skill Set“ (vulgo Ausbildung) aneignet, indem man dieses Skill Set während der Berufstätigkeit kontinuierlich weiterentwickelt (sich lebenslang weiter- und fortbildet), indem nicht nur „theoretisch“, sondern auch tatsächlich versucht, beruflich erfolgreich zu sein, sprich „hart arbeitet“ und/oder beruflich committet ist, indem man gesund lebt (Ernährung, Sport, wenig Alkohol, kein Rauchen, keine sonstigen Drogen) und natürlich, indem man den Anteil seines Daseins, den man als Couch Potato im Internet oder bei Netflix verschwendet in Grenzen hält.

Aus statistischer Sicht bringt unternehmerische Tätigkeit klar das höchste Steigerungspotenzial für das eigene Humankapital (siehe hier), aber auch als Angestellter kann man sein Humankapital weit über die eingangs genannten zwei Millionen Euro steigern.

 

Anlegerfehler 2: Interessenkonflikte nicht abstellen

„Interessenkonflikte nicht abstellen“ klingt nicht gerade nach spektakulärem Geldirrtum, durch dessen Korrektur man ab dem Folgemonat im großen Stil seine Rendite nach oben pushen oder sein Risiko deutlich senken wird. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass das Abstellen vorhandener oder das Vermeiden neuer Interessenkonflikte auf lange Sicht direkt und indirekt mehr Unterschied für den Erfolg bei Vermögensaufbau und Risikominderung macht als jeder andere denkbare Anlegerfehler mit Ausnahme vielleicht des oben aufgezeigten Fehlers Nr. 1.

Interessenkonflikte sind in den deutschsprachigen Ländern bei 99% aller Banken und bei 90% aller „bankunabhängigen“ Vermögensberater und Vermögensverwalter nahezu garantiert. Sie entstehen daraus, dass der Dienstleister hauseigene Produkte verkauft oder vermittelt, dass er Provisionen und Kommissionen von Fremdproduktanbietern vereinnahmt, dass er Performance-abhängige Gebühren nimmt (siehe dazu hier) und dass insgesamt seine Vergütung nicht vollständig unabhängig ist von der Art des Investierens seines Mandanten – also unabhängig davon, ob der Mandant konservativ oder „ambitioniert“, ob er mit viel Trading oder wenig, ob er mit Anlageklasse A oder B oder ob mit Finanzprodukt X oder Y investiert.

Man kann die Pest der Interessenkonflikte auf zwei Arten kurieren: Entweder indem man seine Vermögensanlagen komplett selbst organisiert oder indem man einen Dienstleister engagiert, dessen Bezahlung zu 100% in Cash durch einen selbst erfolgt, so wie man einen Steuerberater, Rechtsanwalt oder Handwerker bezahlt. (Performance-Gebühren sind dabei, wie erwähnt, tabu.)

 

Anlegerfehler 3: Zu viel „Investmentpornographie“ konsumieren

Investment- und Finanzpornographie ist ein sehr großer Teil, vielleicht sogar die Majorität dessen, was in den traditionellen Medien, von Finanzunternehmen und im Internet zum Thema Investieren, Vermögensbildung und Altersvorsorge publiziert wird. Insbesondere zählen dazu Aussagen und implizite Versprechen mit wenig oder mit begrenztem Risiko „reich“ zu werden.

Eine milde Form von Investment-Pornographie ist beispielsweise ein Ratgeberbuchtitel wie „Reich werden an der Börse“ (Thilo Hasler), eine mittlere Form von Investment-Porn ist das Cover einer Anlegerzeitschrift, auf dem in fetten, schreienden Buchstaben steht „Killer-Aktien!“ (Der Aktionär 05/2015), eine heftige Form von Investment-Porn ist ein Artikel in der Online-Ausgabe einer großen deutschen Tageszeitung mit der Überschrift „Mit diesen 10 Aktien können Sie nur gewinnen“ (Die Welt Online, 16.11.2019) oder das Ratgeberbuch „Reicher als die Geissens – Mit null Euro Startkapital in fünf Jahren zum Immobilienmillionär“ (Autor Alex Fischer).

Finanzpornographie appelliert an einige der schlechtesten Gefühle und Eigenschaften im Homo Sapiens: Gier, FOMO (Fear of Missing Out), Neid, Gutgläubigkeit, Selbstüberschätzung, Faulheit oder Angst (in schlechten Börsenphasen).

Die in Deutschland sehr verbreitete Spezies der „Untergangspropheten“, die für „die nahe Zukunft“ einen apokalyptischen Crash bei Banken, Aktien, Anleihen und Immobilien kommen sieht, gehört typischerweise in die Hard Core-Kategorie des P-Themas.

Wer als Privatanleger zu viel schlüpfrige Finanzpornographie konsumiert, schädigt mit einiger Wahrscheinlichkeit seine langfristige Finanzgesundheit und schädigt noch wahrscheinlicher seinen Peace of Mind, seinen Seelenfrieden. Ein solcher Anleger wird öfter als nötig in falsche, d. h. zu teure oder zu risikoreiche Finanzprodukte investieren, er wird zu lange an der Seitenlinie des Investmentspielfeldes verbringen und er wird öfter als nötig zu ungünstigen Zeitpunkten kaufen oder verkaufen.

 

Anlegerfehler 4: Overconfidence Bias/mangelnde Demut: Der Glaube, man selbst sei weitgehend immun gegen die Anlegerfehler der anderen

Der Overconfidence Bias (salopp formuliert der Mangel an Demut) ist ein verbreiteter Anlegerfehler mit hohem Schadenspotenzial. Er ist das übersteigerte Selbstvertrauen in die eigene Investmentkompetenz, das durch die tatsächlich auf lange Sicht erzielten Ergebnisse nicht gerechtfertigt ist. Es ist Fake-Selbstvertrauen ohne Demut mit zu wenig Rationalität und zu wenig ehrlichem Lernen aus den eigenen Fehlern. Der Overconfidence Bias äußert sich beim Investieren leicht erkennbar im Irrglauben, man selbst könne zukünftige Renditen bestimmter börsennotierter Investments, von Immobilienanlagen, Kryptos oder von Sammlerobjekten (z. B. Luxusuhren, Vintage Cars, Kunst etc.) in der nahen Zukunft relativ verlässlich prognostizieren. Statistisch leiden Männer stärker unter der kognitiven und moralischen Schwäche des Overconfidence Bias als Frauen. Tendenziell wird der Overconfidence Bias in Bezug auf Vermögensanlagen durch ein Wirtschaftsstudium oder durch die berufliche Tätigkeit als Geschäftsführer eines Unternehmens noch weiter verstärkt.

 

Anlegerfehler 5: Auf den Medien-Nonsens der „jetzt ist der falsche Zeitpunkt zum Einstieg“ oder „dieses Mal ist alles anders“ hereinfallen

Der berühmte Fondsmanager und Finanzunternehmer John Templeton (1912 – 2008) sagte einmal „The four most dangerous words in investing are ‚This time, it’s different'“. Es dürfte wenige Zitate über Vermögensanlage geben, die wahrer und hilfreicher sind (wenn man es umsetzt) als dieses.

Market Timing – der Versucht durch „Rein/Raus“ oder „Hin und Her“ – besonders gute und/oder besonders schlechte Marktphasen für eine Anlageklasse im eigenen Portfolio auszunutzen, ist statistisch betrachtet eine Verliererstrategie. Sofort in einer alles investieren, was es an einem gegebenen Zeitpunkt zu investieren gibt, und dann diszipliniertes Buy-and-Hold betreiben bringt statistisch höhere Langfristrenditen. Daran lassen 60 Jahre empirische Finanzmarktforschung praktisch keine Zweifel mehr.

Das hindert Vertreter der Finanzbranche, Journalisten und Finfluencer aber nicht daran unsere schädlichen Instinkte auszubeuten, indem sie uns weismachen, ein kluger Investor müsse den „richtigen“ Zeitpunkt oder einen „besseren“ Zeitpunkt zum „in den Markt gehen“ abwarten. Dieses Abwarten produziert Opportunitätskosten (entgangene Gewinne) die den potenziellen Vorteil des Wartens in der Regel überkompensieren. Das wusste der erwähnte John Templeton als er auf die Frage einer Anlegerin, wann der beste Zeitpunkt sei, ihr soeben geerbtes Geld in Aktien zu investieren, simpel entgegnete „The best time to invest is when you have money.“ Und hierzu noch ein weiteres berühmtes Zitat von einem ebenfalls legendär erfolgreichen Fondsmager, Peter Lynch (geb. 1944): „More people lost money waiting for market corrections and anticipating corrections than in the actual corrections.“ [1]

Wenn Sie das immer noch nicht überzeugt: Wir haben auf der Basis langfristiger historischer Daten zweimal in unterschiedlicher Weise aufwändig nachgerechnet wie schlecht „Warten auf die Schnäppchenzeit“ bzw. „Buy the Dip“ als Investmentansatz funktioniert, nämlich hier und hier.

Und dass auch ein Allzeithoch bei Aktien ein unkluger Grund für „jetzt erstmal warten“ oder „jetzt verkaufen“ ist, haben wir hier gezeigt.

 

Anlegerfehler 6: Risiko, das man nicht sieht oder nur schwer messen kann, mit niedrigem Risiko verwechseln

Man kann Finanzprodukte und Anlageklassen in „risikoehrliche“ und „risikounehrliche“ Produkte aufteilen. Risikoehrliche Investments zeigen ihr ganzes Risiko vollständig offen erkennbar, kontinuierlich und ohne Zeitverzögerung. Risikounehrliche Investments zeigen ihr Risiko entweder nicht offen oder nicht kontinuierlich oder nur mit Zeitverzögerung.

Börsennotierte Wertpapiere sind die risikoehrlichsten Investments.

Direktanlagen in Immobilien, offene Immobilienfonds und Private Equity-Anlagen kann man als „mittelmäßig risikounehrlich“ einschätzen. [2] Beispielsweise sind die beträchtlichen Wertschwankungen von Immobilien nicht laufend beobachtbar und erscheinen den meisten Privathaushalten deswegen als moderat oder sogar nicht existent. Wie hoch diese Schwankungen vor allem auf den Eigenkapitalanteil in einem Immobilieninvestment in Wirklichkeit jedoch sind, illustriert ein Blick auf die Börsenkurse von Immobilienunternehmen wie etwa der Vonovia SE.

Warum und in welcher Weise Private Equity und offene Immobilienfonds risikounehrlich sind haben wir hier und hier im Detail gezeigt.

Bankguthaben, kapitalbildende Lebensversicherungen, private Rentenversicherungen, P2P-Kredite, Zertifikate und geschlossene Fonds-Beteiligungen sind maximal risikounehrlich. Der größte Teil der Ausfalls- und Schwankungsrisiken, die sie enthalten, ist für normale Privatanleger unsichtbar.

Beispiel Bankguthaben: Es hat Null-Volatilität (keine Wert- oder Renditeschwankung) und erscheint vielen dementsprechend als sehr sicher und genauso wird dieses Finanzprodukt auch von Banken vermarket. In Wirklichkeit ist ein Bankguthaben oberhalb der gesetzlichen Einlagensicherung von 100.000 Euro pro Bank-Kunde-Kombination ein beträchtliches Ausfallsrisiko mit bis zu 100% Verlustpotential versteckt. Über dieses Ausfallrisiko hinaus sind verzinsliche Bankguthaben noch in einer anderen Hinsicht sehr risikoreich, wie wir hier gezeigt haben.

Dass ein Risiko nicht offen und leicht sichtbar ist, heißt also nicht, dass es nicht existiert. Derjenige, der risikounehrliche Finanzprodukte oder Anlageklassen vermarktet, sollte darauf hinweisen.

 

Anlegerfehler 7: Auf den Recency Bias und den Small Sample Bias hereinfallen

Zwei der aus unserer Sicht perfidesten Anlegerfehler, die von der wirtschaftswissenschaftlichen Behavioral Finance-Forschung aufgedeckt wurden, sind der Recency Bias und der Small Sample Bias. Diese beiden verbreiteten Anlegerdenkfehler sind verwandt. Der Small Sample Bias ist eine verallgemeinerte Form des Recency Bias.

Recency Bias steht für „Neigung, die jüngere Vergangenheit überzubewerten“, Small Sample Bias für „Neigung von kleinen oder unnötig kleinen Stichproben auf die Gesamtheit zu schließen“. Das ist die allgemeine Definition, aber worum geht’s im Speziellen?

Privatanleger orientieren sich bei ihren Anlageentscheidungen stark an Vergangenheitsrenditen. Das ist für sich genommen nicht irrational und auch nicht grundsätzlich falsch. Falsch ist dabei aber fast immer kürzlichere historische Renditen wichtiger zu nehmen als ältere, weiter zurückliegende Daten. Konkreter ausgedrückt: Die Rendite eines MSCI World-ETF, von Gold, Bitcoin oder der Infineon-Aktie in den letzten zwölf Monaten oder fünf Jahren ist für die Zukunft – und um diese geht es ja bei Anlageentscheidungen – nicht grundsätzlich wichtiger oder repräsentativer als die zwölf Monate des Jahres 2010 oder die fünf Jahre von 2013 bis 2017. Trotzdem sind Privatanleger regelrecht besessen von kurz zurückliegenden Renditen und fällen ihre Anlageentscheidungen primär auf der Basis dieser aktuellen Kurzfristdaten.

Wie kann man diesen gefährlichen Fehler vermeiden? Ganz einfach: Indem man seine Investmententscheidungen nur auf der Grundlage langer Datenreihen trifft. Bei der Anlageklasse Aktien mindestens 25 Jahre und idealerweise die jeweils längste verfügbare Datenreihe. Bei einem aktiv gemanagten Aktienfonds die gesamte Zeit seit seiner Auflegung. Bei einer einzelnen Aktie kein Zeitraum unter fünf Jahren.

Der Small Sample Bias ist eine verallgemeinerte Form des Recency Bias. Wenn mir 50 Jahre Daten zur Verfügung stehen, warum schieße ich mir dann ins eigene Bein, indem ich eine wichtige Geldentscheidung auf der Basis einer mickrigen Datenstichprobe von drei Jahren treffe?

 

Anlegerfehler 8: Den Markt schlagen wollen oder glauben, die Experten könnten das

Seit den 1960er Jahren hat eine inzwischen gigantische Zahl wissenschaftlicher Untersuchungen gezeigt, dass in einem gegebenen Zeitfenster (z. B. zwölf Monate oder 20 Jahre) nur eine Minderheit der aktiv investierenden Amateur- und Profi-Anleger den Markt oder eine angemessene passive ETF-Benchmark schlägt.

Für Zeiträume ab rund fünf Jahre beläuft sich der Anteil der „aktiven Loser-Anleger“ bei Aktien und Anleihen, je nach Studie, auf bis zu 90%. Für Untersuchungszeiträume von 15 Jahren aufwärts nähert sich die Loser-Quote immer weiter dem Maximalwert 100%.

In Bezug auf die Minderheit der aktiven Gewinner in einem gegebenen Betrachtungszeitraum existiert keine „Performance-Konstanz“, keine „Überrenditekontinuität“. Die Zusammensetzung der kleinen Gruppe von aktiven Outperformern wechselt von Zeitfenster zu Zeitfenster. Daher werden diejenigen, die auf die Gewinner in der soeben abgelaufenen Vergangenheit setzen in der Zukunft mehrheitlich als Verlierer enden. Die historischen Gewinner sind sehr wahrscheinlich das Produkt von Zufall.

Ergo ist eine passive Strategie auf Buy-and-Hold-Basis diejenige Strategie mit der wahrscheinlichkeitsgewichteten höchsten Rendite. Dabei ist der „eingebaute“ Steuervorteil von Buy-and-Hold noch nicht einmal berücksichtigt (gemeint ist der steuerliche Barwertvorteil aus der langfristigen Verschiebung der Realisierung von Kursgewinnen in die Zukunft – siehe hier).

 

Anlegerfehler 9: Bei Anlageentscheidungen auf volkswirtschaftliche und wirtschaftspolitische Daten und Meinungen abstellen

Volkswirtschaftliche Daten und Entwicklungen (z. B. über Staatsverschuldung, Wirtschaftswachstum, Produktivität, Auftragslage oder Inflation eines Landes oder einer Region) haben kurz-, mittel- und langfristig keinerlei von einem Anleger hinreichend zuverlässig ausbeutbaren Zusammenhang mit den Renditen Aktien, Anleihen und Immobilien. Mit „langfristig“ meinen wir Zeiträume bis zehn oder 30 Jahre. An dieser Stelle aus Platzgründen nur ein einzelnes Beispiel (viele weitere Beispiele nennen wir in diesem Blog-Betrag):

Von Januar 1988 bis September 2023 (knapp 36 Jahre – längste verfügbare Datenreihe) outperformte der Aktienmarkt des (jedenfalls bis 2023) besonders chaotisch und schlecht regierten Landes Argentinien den Aktienmarkt der USA deutlich und noch deutlicher den von Deutschland (egal, ob in USD oder Euro gerechnet). Dies geschah, obwohl Argentinien in diesen dreieinhalb Jahrzehnten mehrere Staatskonkurse (Schuldenschnitte auf Staatsanleihen), lange Phasen von galoppierender oder sogar Hyperinflation und schier endloses politisches Missmanagement erlitt.

Das Gegenteil trifft auf China zu: Das Land hatte in den letzten 30 Jahren das höchste absolute und Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum weltweit aber trotzdem einen für Anleger sehr schlechten Aktienmarkt.

Generell gilt: Wer Anlageentscheidungen auf volkswirtschaftliche Größen wie Wirtschaftswachstum, Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit, Auftragsstatistiken, Inflation, Zinsen oder Prognosen dieser Größen abstellt – wie das von der Mehrheit aller Wirtschaftsjournalisten, Finfluencer und Vertretern der Finanzbranche explizit oder implizit empfehlen – wird dadurch mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit eine Unterrendite gegenüber einem agnostischen, breit diversifizierten Buy-and-Hold-Anleger produzieren.

 

Anlegerfehler 10: Renditeangaben in den traditionellen Medien und im Internet glauben, wenn diese Angaben besonders hoch/attraktiv erscheinen

Die Finanzbranche, Journalisten und Finfluencer veröffentlichen regelmäßig manipulierte oder fast frei erfundene Renditeangaben. Das war vor 30 Jahren so und das ist heute so. Die Autoren dieser Manipulationen präsentieren diese „Fake-Renditen“ nahezu immer so, dass sie damit keine Gesetze oder aufsichtsrechtlichen Vorgaben verletzen, sich also nicht strafbar machen. In vielen Fällen sind die Angaben zudem gar nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand nachprüfbar – schon gar nicht für Laien. So oder so handelt es sich um unlautere Manipulation.

Die am meisten verbreite Form der „ganz legalen“ Renditemanipulation ist das uralte „Rosinenpicken“/“Cherry Picking“: Aus einer Vielzahl historischer Investments, die grundsätzlich zur Auswahl stehen, wird rückblickend eines bzw. dasjenige ausgewählt, das für eine bestimmte in der Gegenwart endende Zeitspanne die höchsten oder besonders hohe Renditen produziert hat. Dabei wird vom Manipulateur so getan, dass er selbst oder der Rezipient dieser Informationen vor Beginn der fraglichen Zeitspanne hätte wissen können, dass es so kommen würde. In den allermeisten Fällen ist das eine dreiste Manipulation.

Eine konkrete Ausprägung dieser Methode praktizieren Fondsgesellschaften, die – sagen wir – 50 aktiv gemanagte Investmentfonds betreiben, aber in ihrem Marketing zu einem gegebenen Zeitpunkt nur die zwei, drei renditemäßig besten „ins Schaufenster“ stellen, sprich in ihrem Marketing erwähnen. Das Publikum soll den Eindruck bekommen, dass diese zwei, drei besten repräsentativ oder indikativ seien für das Können der Fondsgesellschaft. Würde man alle 50 lebenden Fonds zusammen und die vielen toten Fonds [3] der Fondsgesellschaft kollektiv auswerten, würde sich ein viel schlechteres Bild ergeben als für die ex post ausgewählten drei Besten. Damit würde offensichtlich, dass diese Firma bei objektiver, wirklich relevanter Evaluierung keine Outperformance, sondern Underperformance produziert hat.

Die Grundregel lautet: Ein Fondsmanager, ein Banker, ein Vermögensverwalter oder ein Finfluencer, der in der Öffentlichkeit oder seinem Marketing über etwas anderes spricht als über seine im Rückblick „besten Einzelwetten“ (einzelne Finanzprodukte, einzelne Strategien, einzelne Prognosen) muss erst noch geboren werden.

Die uralte Manipulationstechnik des Cherry Pickings haben wir in diesem Blog-Betrag für den Fall des angeblich „erfolgreichsten Finanzinvestors aller Zeiten“ geschildert. Eine andere geniale Manipulationstechnik – pardon Marketing-Technik – des angeblich weltweit berühmtesten Hedge-Fonds-Managers beschreiben wir hier. Eine Renditemanipulationstechnik, die vor allem bei Private Equity verbreitet ist, zeigen wir hier. Wie die Immobilienbranche den Kredithebeleffekt (Leverage-Effekt) als Instrument zur Manipulation der mit Immobilien erreichbaren Renditen einsetzt, analysieren wir hier.

Die einfache Schlussfolgerung, aus der in der Finanzbranche und bei Finfluencern leider epidemisch verbreiteten (legalen) Renditemanipulation lautet: Immer, wenn diese Personen oder Institutionen von sehr hohen Renditen sprechen oder schreiben besteht die eine große Wahrscheinlichkeit, dass die Zahlen nicht repräsentativ, nicht relevant oder ganz falsch sind. Die häufigste Manipulationstechnik ist Cherry Picking.

 

Fazit

Erfolgreich investieren und nachhaltige Vermögensbildung sind zuallererst eine Frage von Fehlervermeidung. Wer die hier geschilderten zehn Fehler vermeidet, hat einen großen Schritt in Richtung langfristigen Anlageerfolg getan.

Generell gilt dabei: Wer nicht selbstkritisch, demütig und ehrlich bei seiner höchsteigenen Fehlervermeidung anfängt, der hat von vornherein nur schlechte Chancen, sein Geld aus eigener Kraft dauerhaft deutlich zu vermehren.

„Jackpot-Investieren“ – die Suche nach den in einer bestimmten künftigen Zeitperiode allerbesten Investments, also das Ziel „zu jedem Zeitpunkt eine Kollektion von Spitzeninvestments im Portfolio zu haben“ – ist ein Verliererspiel. Langfristig erfolgreiche Anleger zeichnet eher aus, dass sie weniger schwerwiegende Fehler als die Masse machen, seltener Geld verlieren als der Durchschnitt der anderen. Ihr Erfolgsgeheimnis ist typischerweise nicht, mit einzelnen Investments „das große Los“ zu ziehen, also Jackpot-Investieren.

Der Fehlervermeidungsfokus erfolgreicher Investoren schließt auch ein, ihre vorhandenen Fehlinvestments zügig zu beenden, einmal gemachte Fehler nicht mehr zu wiederholen und die eigene Fehlbarkeit demütig und rational sich selbst und anderen offenzulegen. [4]

Dieses „negative Erfolgsprinzip“ funktioniert auf dem Gebiet des Investierens und es wirkt auch im Leben schlechthin. Man könnte es das „Via-Negativa-Prinzip“ nennen („der negative Weg“). In diesem Blog-Betrag haben wir es näher untersucht und nennen darin auch die Denker, denen wir seine Formulierung verdanken.

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Alle Informationen, Zahlen und Aussagen in diesem Artikel dienen lediglich illustrativen und didaktischen Zwecken. Der Artikel richtet sich an die allgemeine Öffentlichkeit, nicht jedoch an einen einzelnen oder an einzelne Anleger, auch nicht an die existierenden oder künftigen Mandanten der Gerd Kommer Invest GmbH im Besonderen. Unter keinen Umständen sollte diese Artikel oder die darin enthaltenen Informationen als Finanzberatung, Investitionsempfehlung oder Angebot im Sinne des deutschen Wertpapierhandelsgesetztes verstanden werden. Ob die Informationen in diesem Artikel korrekt sind, können wir nicht mit Gewissheit sagen, wenngleich wir uns bemüht haben, Fehler zu vermeiden. Historische Wertsteigerungen und Renditen bieten keinerlei Gewähr für zukünftig ähnliche Werte. Ein direktes Investment in die hier gezeigten Wertpapierindizes ist nicht möglich. Insbesondere enthält ein solcher Index keine Kosten und Steuern. Investieren in Bankguthaben, Wertpapiere, Investmentfonds, Immobilien und Rohstoffe bringt hohe Verlustrisiken mit sich, bis hin zum Risiko des Totalverlusts. Es ist möglich, dass die Investmenttechniken, die in diesem Dokument genannt werden, zu beträchtlichen Verlusten führen. Wir übernehmen keine Haftung für etwaige Schäden, die aus der Verwendung der in diesem Artikel enthaltenen Informationen resultieren.

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