„Eigenheimverrentung“ – eine schlechte Idee

Von Gerd Kommer und Maximilian Bartosch 

Selbstgenutzte Wohnimmobilien sind eine beliebte Form der Altersvorsorge. Etwa 45% aller deutschen Haushalte leben im Eigenheim (selbstgenutzte Wohnung oder Haus). Umfragen zufolge streben rund zwei Drittel aller Mieterhaushalte kurz- oder langfristig ebenfalls Eigenheimbesitz an.

Allerdings hat das Eigenheim als Element der Altersvorsorge für viele Haushalte, die ihre Berufstätigkeit bald beenden oder schon beendet haben und die nicht in die Kategorie von „sehr reich/sehr vermögend“ fallen, einen strukturellen Nachteil, dem wir in diesem Blog-Beitrag auf den Grund gehen. (Mit der vielfach überschätzten Rentabilität von Wohnimmobilien und ihrem oft unterschätzten Risiko haben wir uns in den letzten Jahren mehrfach aus unterschiedlichen Blickwinkeln auseinandergesetzt siehe hier und hier sowie die Auflistung unserer Blog-Beiträge hierzu am Ende dieses Texts.)

 

Der fundamentale Nachteil von Immobilien als Investment in der Vermögensabbauphase

Wir illustrieren das Grundproblem anhand des Jungrentnerhaushalts Luisa und Ludwig (nachfolgend der Kürzer halber „L&L“). Beide sind 65 Jahre alt, beide haben ihre Berufstätigkeit soeben beendet. Das Paar hat sich in den letzten 25 Jahren ein Vermögen von 500.000 Euro aufgebaut und ist schuldenfrei. Nach Beendigung der Berufstätigkeit sind L&L nun von der Vermögensaufbauphase in die Phase der Vermögensnutzung übergegangen.

In unserem ersten Betrachtungsszenario – nennen wir es „Universum A“ – nehmen wir an, dass L&Ls Vermögen von 500.000 Euro vollständig aus liquiden Anlagen besteht, nämlich einem ETF-Depot im Wert von 300.000 Euro (ein einzelner ETF, der die Anlageklasse Aktien-Global abbildet) und aus einem verzinslichen Tagesgeld von 200.000 Euro. [1] Diese Aufteilung oder Asset-Allokation wird oft als „60/40“-Portfolio bezeichnet, die für relativ vorsichtig investierende Haushalte zumeist gut passt. Das Portfolio erzeugt laufende Erträge (Zinsen, Dividenden) und Kursgewinne im Aktienteil.

L&L leben in einer schönen Dreizimmerwohnung zur Miete. Weil ihre zwei gesetzlichen Renten merklich niedriger sind als zuvor die beiden Gehälter und sie nicht „frugal“ leben möchten, haben sie nun zusammen eine „Rentenlücke“ von 2.500 Euro im Monat oder 30.000 Euro im Jahr. Die zwei wollen diese Lücke aus ihrem liquiden Vermögen, ihrem ETF-Depot und Tagesgeldkonto, decken. Die anfängliche „Entnahmerate“ beträgt daher 30.000 ÷ 500.000 Euro = 6% im Jahr.

Diese Entnahmerate setzt sich bei einem liquiden Investment wie im Fall von L&L in Bezug auf das Aktien-ETF-Depot aus Ausschüttungen und Anteilsverkäufen und in Bezug auf das Tagesgeldkonto aus Abhebungen zusammen. Die monatliche bzw. jährliche Entnahme kann von L&L jederzeit flexibel erhöht oder gesenkt werden, sollte ihr tatsächlicher Liquiditätsbedarf von der Planung abweichen, was vermutlich recht oft vorkommt.

Je nachdem, welche durchschnittliche inflationsbereinigte (reale) Rendite nach Abzug von Kosten und Steuern man für das Gesamtportfolio unterstellt, würden die 500.000 Euro bei einer jährlichen realen Entnahme von 30.000 Euro im Mittel rund 24 Jahre bis zum vollständigen Verzehr reichen, aber die genaue Dauer ist für die Zwecke des hier zu analysierenden Sachverhaltes nicht bedeutsam. [2]

Im Paralleluniversum B unterstellen wir, dass L&L in einer selbstgenutzten Dreizimmerwohnung, also im Eigenheim leben. Die Immobilie hat einen Marktwert von 500.000 Euro. Es ist die gleiche Wohnung, in der die beiden in Universum A zur Miete leben. Wiederum existiert kein weiteres Vermögen abgesehen von den Ansprüchen an die gesetzliche Rentenversicherung. In Universum B sparen sich die beiden aufgrund der entfallenen Miete jährlich 16.000 Euro an Lebenshaltungskosten. [3] Entsprechend beläuft sich ihre jährliche Rentenlücke nun nicht mehr auf 30.000 Euro, sondern nur noch auf 14.000 Euro. Jetzt wird die Herausforderung erkennbar: Woher sollen L&L diese 14.000 Euro (gerundet knapp 1.200 Euro pro Monat) nehmen, wenn nicht stehlen?

 

Die Kapitalbindung bei Immobilieneigentum

Das Problem: Die Substanz oder das „Kapital“ in einer Immobilie lässt sich nicht peu-à-peu verbrauchen wie bei einem Bankguthaben oder Wertpapierdepot. Ein „laufender Verbrauch“ ist bei einer Immobilie lediglich bis zur Höhe der Nettomiete möglich. Die Nettomiete ist die (Brutto-)Miete abzüglich Aufwendungen für Instandhaltung, Versicherung und Grundsteuer.

Bei einem Eigenheim gibt es naturgemäß keine Mieteinkünfte, aber der Eigentümer spart sich Ausgaben in Höhe der Nettomiete, die er leisten müsste, gäbe es das Eigenheim nicht. In diesem Punkt besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen einer selbstgenutzten und einer vermieteten Immobilie – in beiden Fällen kann man als Eigentümer nur den laufenden Nettoertrag verbrauchen, aber nicht die in der Immobilie gebundene Substanz, das Kapital.

Ein weiterer im Kontext von Liquidität und Cash-Flow ungünstiger Aspekt von Immobilien: Die Nettomiete bzw. eingesparte Nettomiete (wie oben definiert) schwankt im Zeitablauf wegen der Unregelmäßigkeit und „Klumpigkeit“ von Instandhaltungsaufwendungen von Jahr zu Jahr beträchtlich. Bei größeren Reparaturen kann es in einem einzelnen Jahr sogar vorkommen, dass man als Eigentümer mehr in die Immobilie hineinstecken muss als man in Gestalt der ersparten Miete beim Eigenheim oder echten Miete bei einem Vermietungsobjekt aus ihr herauszieht. Dann liegt ein negativer Cash-Flow vor. Bei einem Wertpapierdepot kann das nicht passieren (zur häufig unterschätzten Höhe von Instandhaltungskosten bei Wohnimmobilien siehe hier).

Einer Lobby-Organisation der deutschen „Immobilienverrentungsbranche“ zufolge sollen in Deutschland über drei Millionen Eigenheimbesitzer ab 55 Jahren existieren, die sich aufgrund der Kapitalbindung im Eigenheim grundsätzlich mit einem Liquiditätsproblem konfrontiert sehen, also zu wenig Liquidität haben, aber ihre Immobilie zugleich nicht verkaufen möchten (Quelle). Die Ursache des Liquiditätsproblems bei diesen Selbstnutzerhaushalten kann eine laufende Rentenlücke sein (zu wenig Einkommen relativ zu den Lebenshaltungskosten), wie im Falle von L&L. Das „Geldproblem“ kann aber auch aus dem Wunsch resultieren, die Immobilie modernisieren zu wollen oder eine größere Lifestyle-Ausgabe zu finanzieren (z. B. ein Camper-Van oder ein Segelboot).

Wir beschreiben nun im Schnelldurchgang zehn finanzielle Lösungsansätze – „Liquiditätsschaffungsmodelle“ – für solche Eigenheimhaushalte. Bei neun von den zehn Ansätzen geht es letztlich darum das in der Immobilie gebundene Kapital für die Eigentümer zumindest teilweise freizusetzen, sprich liquide zu machen, im Fachjargon das Kapital in der Immobilie zu „monetarisieren“, so dass es bei Bedarf verbraucht werden kann.

 

Lösung 1: Absenkung des Lebensstandards

Im Grunde genommen ist das eine Nicht-Lösung für das Problem von Luisa und Ludwig und auf alle Fälle eine, die sie nicht möchten. Überdies sehen sie keine Notwendigkeit, ihrem 35-jährigen Sohn Louis ein Erbe zu hinterlassen. Louis verdient selbst gut, hat eine vermögende Frau geheiratet und bereits von sich aus klar gemacht, dass er nichts erben möchte. Lösung 1 scheidet für L&L also aus.

 

Lösung 2: Der Verkauf des Eigenheims, um eine neue preisgünstigere Immobilie zu kaufen

Neudeutsch nennt sich diese Lösung „Downsizing“. Sie kommt aber für L&L auch nicht in Betracht, weil sie ihren Lebensstandard nicht senken wollen. In einer kleineren oder schlechter gelegenen, billigeren Wohnung zu leben, würde aber genau das bedeuten. Außerdem hängen sie emotional an ihrer jetzigen Immobilie.

 

Lösung 3: Der Verkauf des Eigenheims und Mieten einer gleichwertigen Immobilie

L&L würden in diesem Fall ihre Wohnung einfach verkaufen, um dann ein neues, gleichwertiges Objekt in der Nähe zu mieten. Ein offensichtlicher Vorzug der Verkaufslösung relativ zu den meisten anderen Monetisierungsstrategien besteht darin, dass diese Vorgehensweise rechtlich und wirtschaftlich schön einfach ist. Außerdem kann die neue Mietimmobilie genau nach den gesundheitsbedingten und sonstigen Kriterien von L&L ausgesucht werden, die für ein älteres Ehepaar zu diesem Zeitpunkt vorwärtsgerichtet wichtig sind, beispielsweise Barrierefreiheit oder räumliche Nähe zu Sohn und Schwiegertochter.

 

Lösung 4: Einen Teil des Eigenheims vermieten

Den sprichwörtlichen „Untermieter“ hereinholen: Das ist aus vielerlei Gründen nicht nach jedermanns Geschmack und auch nicht nach dem von L&L. Die Vermietung eines Teils der Immobilie scheitert darüber hinaus bei zahlreichen Eigenheimen daran, dass die Immobilie vom Grundriss her oder aus anderen baulichen Gründen nicht zur Teilvermietung geeignet ist.

 

Lösung 5: Verkauf des Eigenheims bei gleichzeitiger Einräumung eines Nießbrauchsrechts

Die Immobilie wird verkauft. Der Käufer (das könnte ein spezialisiertes Unternehmen oder eine Privatperson sein) räumt dem Alteigentümer (nachfolgend der Kürze halber „Alt-ET“) ein lebenslanges Nießbrauchsrecht ein, das notariell beurkundet und ins Grundbuch eingetragen wird. Bei einer Wohnimmobilie gibt das dem Nießbraucher (dem Alt-ET) das Recht, weiterhin bis zu seinem Lebensende in dem Objekt zu wohnen, obwohl der Nießbraucher nicht mehr Eigentümer ist. [4] Das Nießbrauchsrecht ist ein jahrhundertalter Typ von Nutzungsrecht für Immobilien (oder andere Wirtschaftsgüter) und ist in 59 Paragraphen des BGBs detailliert geregelt. Weil die im Grundbuch eingetragene „Last“ das Objekt für den Käufer weniger wertvoll macht, ist der Verkaufspreis relativ zu einem nießbrauchfreien Objekt entsprechend niedriger.

Der Alt-ET kann sein Nießbrauchsrecht nicht veräußern, vererben oder verschenken. Wer die Kosten für die Instandhaltung trägt, kann einzelvertraglich geregelt werden, typischerweise ist es der Nießbraucher, da er ja den vollen wirtschaftlichen Nutzen aus der Immobilie hat.

Statt einer simplen Kaufpreiszahlung wäre auch eine lebenslange Leibrente denkbar, die der Käufer an den Alt-ET (Nießbraucher) zahlt. [5] Von Leibrentenkonstruktionen raten wir generell ab. Sie haben mehrere große Nachteile, darunter das Grundproblem, dass der Zahlungspflichtige im Laufe der folgenden Jahre oder Jahrzehnte nicht mehr zahlt, z. B. wegen einer Insolvenz. Dann kann der Rentenempfänger böse im Regen stehen. Dieses komplexe Risiko besteht selbst bei großen Versicherungsunternehmen wie der Allianz und ist bei kleineren Firmen oder gar Privatpersonen besonders hoch. Bei einer Eigenheimverrentung mit Leibrentenkonstruktion gibt es zwar Instrumente dieses „Kontrahentenrisiko“ (Ausfall des Rentenzahlers) partiell zu senken, bspw. durch eine sogenannte „Rückfallklausel“, aber solche Instrumente sind bestenfalls Heftpflasterlösungen und heilen das Grundproblem nur zum Teil.

Leibrenten bedeuten für den Empfänger, zweitens, inakzeptabel hohes Inflationsrisiko, da die Rente im Zeitablauf gar nicht oder nur in geringem vertraglich fixiertem Maße steigt. Bei einer Inflation von dauerhaft oberhalb ca. drei bis vier Prozent p.a. würde die Kaufkraft der Renten daher im Zeitablauf drastisch sinken. Im Fall einer galoppierenden Inflation wäre sogar fast alles weg. [6]

Weil Leibrenten in Deutschland nur von Privatpersonen, vom Staat und von lizensierten, BaFin-regulierten Versicherungsunternehmen gewährt werden dürfen, wird in der Praxis oft folgendes „Kombimodell“ praktiziert: Schritt 1: Kaufpreiszahlung durch den „Verrentungsanbieter“, Schritt 2: Einzahlung des Kaufpreises in eine „Sofortrente“, die ein gesondertes Versicherungsunternehmen anbietet. (Vermutlich fließt dann für die Vermittlung eine Provision vom Versicherungsunternehmen an den Verrentungsanbieter.)

So oder so gilt aus unserer Sicht: Finger weg von Leibrentenkonstruktionen, die im Prinzip anstelle einer einfachen Kaufpreiszahlung auch bei einigen der anderen nachfolgend skizzierten Immobilienverrentungsmodelle zum Einsatz kommen können. In der Praxis werden Leibrentenkonstruktionen aus guten Gründen jedoch selten gewählt.

 

Lösung 6: Verkauf bei gleichzeitiger Einräumung eines Wohnrechts

Sie ist der Lösung 5 sehr ähnlich, nur wird hier kein Nießbrauch, sondern ein „Wohnrecht“ (oder rechtlich korrekter formuliert „Wohnungsrecht“) für den Alt-ET im Grundbuch eingetragen. Ein Wohnrecht ähnelt dem Nießbrauch, ist aber zivilrechtlich stärker eingegrenzt und damit wirtschaftlich weniger wertvoll, bspw. verfällt ein Wohnrecht normalerweise wertlos, sobald der Alt-ET auszieht, was für ein Nießbrauchsrecht nicht gilt. [7] Weil ein Wohnrecht weniger wert ist, ist die Kaufpreiszahlung an den Alt-ET für ein gegebenes Objekt nach Abzug der Last für das Wohnrecht höher als bei einem Nießbrauchsrecht.

 

Lösung 7: Teilverkauf an einen spezialisierten Finanzdienstleister

Wenn man den Marketing-Publikationen der Immobilienverrentungsbranche Glauben schenken will, ist der Teilverkauf der neue Stern am Himmel der Immobilienverrentung. Beim Teilverkauf wird ein Teil des Eigenheims – zumeist 50%, selten mehr – an einen spezialisierten Finanzdienstleister verkauft. Dieser leistet dann eine Kaufpreiszahlung an den Alt-ET. Das alles wird notariell beurkundet und im Grundbuch eingetragen. Zugleich wird dem Alt-ET ein lebenslanges Nießbrauchsrecht eingeräumt (siehe Ausführungen in Lösung 5).

Im Prinzip ist statt der Kaufpreiszahlung auch eine Leibrente oder eine zeitlich befristete Rente (Zeitrente) denkbar, aber diese Rentenmodelle werden aufgrund ihrer rechtlichen Komplexität und wirtschaftlichen Risiken (siehe wiederum Ausführungen zu Lösung 5) in der Praxis selten angeboten.

In der Standardkonstellation trägt der Alt-ET sämtliche Instandhaltungskosten, auch die für den verkauften Teil. Für den verkauften Teil muss der Alt-ET an den Käufer monatlich ein „Nutzungsentgelt“ zahlen, eine Art Miete, obwohl er ja kein Mieter, sondern Nießbraucher ist. Die Höhe des Nutzungsentgelts orientiert sich primär am Zinsniveau zum Zeitpunkt des Teilverkaufs, weniger an der ortsüblichen Miete.

Der Alt-ET oder seine Erben bleiben beim Teilverkauf am Wertsteigerungspotenzial für ihren Anteil beteiligt. Der Alt-ET kann im typischen Teilverkaufsvertrag die ganze Immobilie jederzeit an einen Dritten oder seinen Teil an den Finanzdienstleister verkaufen. Allerdings muss der Alt-ET dem Finanzdienstleister im Moment des Verkaufs (egal an wen) bei den branchenüblichen Verträgen etwaige Verluste und sogar darüber hinaus auch noch einen entgangenen Gewinn ersetzen, sofern die Immobilie bei diesem „zweiten“ endgültigen Verkauf keine ausreichende Wertsteigerung seit dem ursprünglichen Teilverkauf erfahren hat. Diese „Wertsicherungsklausel“ im Teilverkaufsvertrag zu Gunsten des Finanzdienstleisters ist der größte einzelne Nachteil des Teilverkaufmodells. Aus unserer Sicht repräsentiert sie einen Dealkiller.

Insgesamt erscheint die Verteilung von Chancen, Nutzen und Kosten zwischen Alt-ET und Finanzdienstleister beim typischen Teilverkauf nicht ausgewogen genug. Das sieht die deutsche Finanzaufsicht BaFin ebenfalls so (hier).

 

Lösung 8: Rückmietkauf

Der Rückmietkauf (englisch Sale & Leaseback) besteht im einfachen Verkauf der Immobilie an eine private Person oder an ein gewerbliches Immobilienunternehmen. Dabei ist von Vornherein geplant, eine „logische Sekunde“ nach Vollzug des Verkaufes einen langfristigen Mietvertrag zwischen Alt-ET und Käufer abzuschließen, das Objekt also an den Alt-ET zurück zu vermieten. Typischerweise verzichtet der Käufer im Mietvertrag langfristig oder jedenfalls für mehrere Jahre auf sein ordentliches Kündigungsrecht einschließlich des Rechts einer Eigenbedarfskündigung. Auch die Höhe der künftigen Miete kann langfristig via Staffelmietvertrag oder Indexmietvertrag verbindlich fixiert werden. Der neue Eigentümer wird zum Vermieter und trägt künftig die Instandhaltungskosten.

Generell ist der Rückmietkauf rechtlich simpel und wirtschaftlich unkomplex. Viele normale Immobilienmakler offerieren die Suche nach einem zum Rückmietkauf bereiten Käufer als Dienstleistung.

 

Lösung 9: Konventionelle Beleihung der Immobilie (Seniorendarlehen)

Die eigentlich naheliegendste Lösung ein schuldenfreies Eigenheim zu monetisieren, das man nicht verkaufen und aus dem man auch nicht ausziehen möchte, ist eine Beleihung, also die „ganz normale“ Aufnahme eines Bankkredits gegen Eintragung einer Grundschuld. Weil dieser Weg so naheliegend und rechtlich-wirtschaftlich simpel ist, ist er in den angelsächsischen Ländern verbreitet und in den USA sogar eigens aufsichtsrechtlich geregelt – ausdrücklich für Eigentümer oberhalb von 60 Jahren. [8] Dort heißt dieser Vorgang home equity take out, die regulatorisch definierten Darlehenstypen „Home Equity Conversion Mortgage“ (HECM) oder „Home Equity Line of Credit“ (HELOC).

Aber selbst ohne eigenen aufsichtsrechtlichen Rahmen ist die Sache in Deutschland einfach und geradeheraus: Ein Seniorenkredit (neudeutsch „Best-Ager-Darlehen“) ist ein gewöhnliches grundpfandrechtlich besichertes Immobiliendarlehen. Der Kreditbetrag ist in der Regel auf 50% des von der Bank ermittelten Marktwertes der Immobilie beschränkt. Der Kredit hat bspw. eine Laufzeit von zehn oder fünfzehn Jahren und ist „endfällig“, d. h. es findet bewusst keine laufende Tilgung statt. Der Kreditnehmer zahlt lediglich die laufenden Zinsen. Die Rückführung des Darlehens am Ende der vorgesehenen Laufzeit erfolgt entweder über einen Verkauf der Immobilie, aus anderen Mitteln oder der Kredit wird noch einmal verlängert.

Falls es zum Erbfall kommt, kann das Darlehen von den Erben übernommen und weitergeführt oder getilgt werden. Falls die Erben Immobilie + Kreditschuld nicht wollen (z. B. weil der Wert der Immobilie unter den Wert des Kreditsaldos gefallen ist), haben sie das risikolose Recht das Erbe auszuschlagen.

Was spricht gegen eine Beleihung zur Monetisierung eines schuldenfreien Eigenheims? Gar nichts, denn es ist die einfachste und fast immer preisgünstigste Lösung, die dem Alt-ET relativ zu allen anderen Alternativen wohl am wenigsten Kontrolle über sein bestehendes Heim nimmt. Der Alt-ET bleibt hier auch nach der Transaktion Eigentümer des gesamten Objekts.

Merkwürdigerweise glauben viele Eigeheimbesitzer hierzulande, dass (a) im fortgeschrittenen Alter neue Schulden zu machen „irgendwie nicht richtig“ sein könne oder (b), dass man bei einer Bank „ab 60“ keine Immobilienfinanzierung mehr bekomme – beides ein Irrtum. Wären diese beiden Überlegungen richtig, gäbe es in den Ländern mit besser entwickelten Finanzmärkten als hierzulande keine weit verbreiteten Home Equity Take Outs. Natürlich will und muss jede Bank vor der Kreditgewährung eine Bonitätsprüfung durchführen, selbst wenn der Wert der Sicherheit den Kreditbetrag deutlich übersteigt wie im Fall eines Best-Ager-Kredites. Und ja, ein Kreditnehmerhaushalt mit einem Altersdurchschnitt von 65 Jahren braucht, unabhängig von der Sicherheit, eine gewisse Mindestbonität. In erster Linie heißt das, dass die reinen Zinszahlungen (ohne Tilgung) aus vorhandenen liquiden Mitteln oder laufenden Einkünften bedient werden können. Aber auf alle Fälle sollte ein Haushalt, der das Ziel hat, sein Eigenheim ohne Verkauf oder ohne Auszug zu monetisieren, unseres Erachtens zuallererst die Gangbarkeit dieser Route prüfen.

 

Lösung 10: Beleihung über eine „Umkehrhypothek“ („Rückwärtsdarlehen“)

Die Umkehrhypothek („UH“) kommt aus den USA wie so viele Finanzinnovationen. Dort heißt sie „Reverse Mortgage“. Da sie in Deutschland nur von einer winzigen Zahl von Finanzdienstleistern und wohl ausnahmslos zu unattraktiven Konditionen angeboten wird, könnte man auf die Darstellung der UH hier beinahe verzichten.

Die UH funktioniert in ihrer Standardform so: Der Besitzer eines schuldenfreien Eigenheims, üblicherweise ein im Ruhestand befindlicher Haushalt, nimmt bei einer Bank einen Kredit auf die Immobilie auf, der mit einer erstrangigen Grundschuld besichert wird. Die Bank zahlt jedoch nicht die Kreditsumme an den Kreditnehmerhaushalt sofort aus (wie beim Seniorendarlehen), sondern gewährt ihm eine lebenslange monatliche Rente, eine Leibrente. Die Kreditschuld ist am Ende des ersten Monats noch ganz niedrig, weil ja erst eine einzige monatliche Rentenzahlung geleistet wurde. Je länger der Alt-ET lebt, desto weiter baut sich die Kreditschuld auf. Der Kredit wird vertragsgemäß während der Lebenszeit des Kreditnehmers nicht getilgt – es findet keine laufende Tilgung statt und auch die Zinsen werden „kapitalisiert“, sprich monatlich oder quartalsweise der Kreditschuld aufgeschlagen.

Die maximale Beleihung der Immobilie (der Kreditbetrag) liegt in der Regel bei 50% des Marktwerts des Objekts am Beginn der Transaktion. Diese Obergrenze und das Alter des Kreditnehmers bei Beginn der Transaktion bestimmen maßgeblich die Höhe der monatlichen Rentenzahlung. Je älter der Kreditnehmer bei Beginn der Transaktion ist (je geringer also seine Restlebenserwartung), desto höher wird die Rente unter sonst gleichen Umständen sein.

Beim Tod des Kreditnehmers werden die ausstehenden Schulden entweder durch die Erben der Immobilie oder (wenn keine Erben da sind oder diese nicht wollen) im Weg eines Verkaufs der Immobilie durch die Bank zurückgeführt.

Wir raten von der UH ab, vor allem, weil sie auf dem Leibrentenmodell basiert (siehe Lösung 5) und zudem ganz einfach zu teuer ist.

Nicht selten schreiben Journalisten und Vertreter der Immobilienverrentungsbranche, die UH habe sich zwar in Deutschland bisher nicht durchgesetzt, aber in den USA sei sie verbreitet. Das ist Nonsens. Die Reverse Mortgage hat in der Altersvorsorge in den USA bis zum heutigen Tag – über 60 Jahre nach ihrer Erfindung – nur einen mickrigen Marktanteil gewinnen können und gilt in Politik und Wissenschaft als gescheitert (siehe Knaak u.a. 2020).

 

Fazit

Die „Eigenheimrente“ ist so wie sie heute im deutschen Markt vermarktet und angeboten wird eine Mogelpackung.

Es beginnt schon damit, dass die Immobilienverrentungsbranche und ihre journalistischen Beifallsklatscher aus Marketinggründen fortwährend die Bezeichnung „Verrentung“ oder „Rente“ verwenden, [9] aber im Wesentlichen selbst gar keine Finanzierungsmodelle anbieten, die ein Rentenelement beinhalten.

Der Teilverkauf (Lösung 7) als die in der Verrentungsbranche am meisten praktizierte Lösung scheitert aus unserer Sicht an der für den Alt-Eigentümer unattraktiven Verteilung von Chancen, Risiken und Kosten.

Die Hauptgründe für die unattraktiven Konditionen bei Teilverkauf und Umkehrhypothek sind die rechtliche und wirtschaftliche Komplexität dieser Konstruktionen sowie der Umstand, dass auf Anbieterseite zu viele Parteien mitverdienen wollen: Makler, Verrentungsanbieter, die Bank des Verrentungsanbieters und bei Leibrentenmodellen ein Lebensversicherungsunternehmen.

Wir haben in Bezug auf den Teilverkauf und die Umkehrhypothek (Lösung 10) auf rein sachlogischer Basis dargelegt, warum diese beiden Modelle zur Monetisierung von Eigenheimen eine schlechte Idee sind. Wer unsere Argumentation nicht überzeugend findet und Interesse an einer solchen Lösung hat, dem empfehlen wir ein oder besser mehrere Angebote einzuholen. Um Anbieter ausfindig zu machen, genügt es im ersten Schritt „Anbieter von Teilverkauf für Eigenheim“ oder „Anbieter von Umkehrhypothek“ zu googeln. Wir glauben, dass ein konkretes Angebot unsere große Skepsis in den allermeisten Fällen bestätigen wird.

Es bleibt die nüchterne Erkenntnis, dass eine Immobilie ein strukturell illiquider Vermögenswert ist. Der einfachste, schnellste, wirtschaftlich am wenigsten risikoreiche, rechtssicherste und preisgünstigste Weg aus diesem Vermögenswert Liquidität herauszuholen, ist ein Verkauf. Am zweitgünstigsten ist eine konventionelle Beleihung. Der Monetisierungseffekt ist bei einer Beleihung jedoch stärker begrenzt als beim Verkauf.

Wie wir gezeigt haben, bedeutet ein Verkauf keineswegs zwangsläufig, dass man aus der Immobilie ausziehen muss. Verkaufen und nicht ausziehen geht über drei bewährte, unkomplexe und rechtsichere Alternativen: Verkauf gegen Nießbrauchsrecht, Verkauf gegen Wohnrecht oder Rückmietkauf.

Bei allen Monetisierungsansätzen, die auf Verkauf oder Teilverkauf basieren, ist außerordentlich wichtig, dass der Eigentümer vor Vertragsabschluss ein Wertgutachten von einem berufsmäßigen Immobiliengutachter erstellen lässt, der allein und ausschließlich eine vertragliche Treuepflicht gegenüber dem Eigentümer hat und allein von diesem bezahlt wird. Gutachter, die vom Verkäufer genannt oder empfohlen wurden, sollte man grundsätzlich nicht in Betracht ziehen.

 

Endnoten

[1] Damit liegen L&L betraglich innerhalb der gesetzlichen Einlagensicherungsgrenze von 100.000 Euro pro Person und Bank. Oberhalb dieser Grenze sind Bankguthaben nicht ausreichend sicher (siehe hier).

[2] Wir sprechen hier von einer „realen“ Entnahme von 30.000 Euro, also ein Geldbetrag, der ab dem Jahr 1 jährlich in Höhe der Inflation zunimmt, so dass seine Kaufkraft im Zeitablauf konstant bleibt. Da wir aber für die Geldanlage mit „niedrigen“ realen Renditen rechnen, können wir uns die jährliche „Aufinflationierung“ der Entnahme sparen. Das so genannte“Renditereihenfolgerisiko“ haben wir hier ignoriert. Wer sich dafür interessiert, kann unseren Blog-Beitrag zur Monte-Carlo-Simulation lesen (hier).

[3] Diese Ersparnis resultiert aus einer eingesparten jährlichen Bruttomiete von 22.500 Euro (bei einem Immobilienwert von 500.000 Euro entspricht das einer Bruttomietrendite von 4,5%) gemindert um 6.500 Euro laufende Kosten per annum für Instandhaltung, Versicherung und Grundsteuer.

[4] Im Einzelfall lässt sich ein Nießbrauchsrecht auf Wunsch der Vertragsparteien auch zeitlich begrenzen.

[5] Eine Leibrente fließt (in Abgrenzung zu einer „Zeitrente“) definitionsgemäß lebenslang so wie die gesetzliche Rente. Bei einer Leibrente ist der Rentenzahler dem „Langlebigkeitsrisiko“ des Rentenempfängers ausgesetzt: Je länger dieser lebt, desto teurer wird es für den Rentenzahler.

[6] Neben den hier genannten zwei Hauptrisiken und Nachteilen von Leibrentenkonstruktionen existieren noch andere, auf die wir aber aus Platzgründen hier nicht eingehen.

[7] Das Wohnungsrecht ist gesetzlich vor allem in § 1093 BGB geregelt.

[8] Die Finanzmärkte in den angelsächsischen Ländern (USA, Kanada, Großbritannien, Australien, Neuseeland) sind insgesamt weiter entwickelt, moderner und leistungsfähiger als in Deutschland. Auch der Privatanlegerschutz ist dort schärfer geregelt.

[9] Beispielsweise „Eigenheimrente“, „Immobilienrente“, „Rente aus Stein“, „Haus gegen Rente“, „Zusatzrente aus dem Eigenheim“.

 

Literatur

BaFin (ohne Autor) (2023): „Teilverkauf Ihrer Immobilie – wo stecken die Risiken?“ – Link

Knaak, Peter u.a. (2020): „Reverse Mortgages, Financial Inclusion, and Economic Development Potential Benefit and Risks“; World Bank – Link

Kommer/Bartosch: „Wertsteigerungen von Wohnimmobilien – Traum und Wirklichkeit“ – Link

Kommer/Lauterwasser: „Die Inflation hilft mir als Kreditnehmer – Träum weiter!“ – Link

Kommer/Schweizer: „Instandhaltungskosten: Wie man Immobilieninvestments schönrechnet“ – Link

Kommer/Weis: „Sind Vermietungsimmobilien attraktive Vermögensanlagen?“– Link

Kommer/Schweizer: „Das Risiko von Investments in Immobilien“ – Link

Kommer/Schweizer: „Die Rendite von Investments in Immobilien“– Link

Kommer/Großmann: „Offene Immobilienfonds – Illusion und Wirklichkeit“ – Link

Kommer/Bartosch: „Kapitalverzehr vermeiden: Kein erstrebenswertes Anlegerziel“ – Link

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