Warren Buffetts Hedge-Fonds-Wette

Von Alexander Weis und Gerd Kommer  

Man kann die Überlegenheit passiven Investierens – also Buy-and-Hold-Investments mit Indexfonds – gegenüber traditionellem aktivem Geldanlegen auf unterschiedliche Weise zeigen: Indem man ein Buch über „aktiv versus passiv“ schreibt, indem man eine wissenschaftliche Untersuchung über Teilaspekte des Themas veröffentlicht [1] oder – besonders unterhaltsam – in dem man mit aktiven Anlegern wettet. Letzteres hat der große Warren Buffett im Jahr 2007 kurz vor Beginn der Finanzkrise getan. Er ging damals eine Wette mit einem gewissen Ted Seides ein. Seides war ein bei der New Yorker Finanzboutique Protégé Partners angestellter Investment-Berater. Gegenstand der Wette war die Frage, ob ein Experte wie Seides eine Gruppe von besonders guten Hedge-Fonds auswählen konnte, die auf lange Sicht einen simplen, breit diversifizierten Low-Cost-Indexfonds auf Buy-and-Hold-Basis renditemäßig schlagen würde. Buffett sagte nein, der Hedge-Fonds-Fachmann ja.

Um sicherzustellen, dass nicht die Spezialbedingungen eines einzelnen Jahres das Ergebnis verzerren würden, einigten sich die beiden Kontrahenten auf einen hinreichend langen Wettzeitraum, nämlich die zehn Jahre vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2017. Der Wettverlierer würde dem Gewinner eine Million Dollar bezahlen müssen. Der Gewinner verpflichtete sich, das Preisgeld einer karitativen Organisation seiner Wahl zu spenden.

Buffett setzte auf den „Vanguard 500 Index Fund“ (US-WKN: VFINX), ein Indexfonds, der den S&P-500-Aktienindex abbildet, also die 500 größten börsennotierten Unternehmen der USA. [2] Seides wählte fünf Dach-Hedge-Fonds aus. [3] Der einfache Durchschnitt dieser fünf Fonds sollte gemäß Wettbedingungen die für die Wette maßgebliche Hedge-Fonds-Rendite darstellen.

Die Wette war insgesamt so gestaltet, dass (a) nicht die Rendite über einen vielleicht wenig repräsentativen Kurzfristzeitraum betrachtet wurde; (b) nicht die Leistung eines seltenen positiven oder negativen „Ausreißer-Hedgefonds“ maßgeblich sein sollte; und (c) auch nicht der „bloße Durchschnitt“ aller rund 10.000 Hedgefonds weltweit, also ein breiter Hedge-Fonds-Index verwendet wurde. Vielmehr sollten in der Wette Hedge-Fonds von einer begrenzten Anzahl der in der langfristigen Zukunft besten Hedge-Fonds repräsentiert werden. Diese Fonds sollten durch einen Hedge-Fonds-Profi ausgewählt werden. In den Worten von Warren Buffett: „This assemblage [die Dach-Hedge-Fonds] was an elite crew, loaded with brains, adrenaline and confidence.“ (Zu Deutsch: Die Ansammlung einer Elite mit Grips, Adrenalin (also Ehrgeiz, Energie) und Selbstvertrauen.) [4]

Letztlich war die Ausgangssituation am Start der Wette gut vergleichbar mit der vieler institutioneller und privater Anleger in Hedge-Fonds bevor sie sich für ein Investment in das angebliche „Edel-Segment“ entscheiden: Sie kennen die in der Vergangenheit besten Hedge-Fonds, verwenden diese Vergangenheitsdaten als primäres Auswahlkriterium, wissen aber nicht, wie ihre Auswahl in der Zukunft performen wird. Weil die Anleger diese Ungewissheit spüren, setzten sie typischerweise nicht alles auf eine Karte, sondern investieren in mehrere Fonds gleichzeitig.

Der fragliche Zehn-Jahres-Zeitraum, den die Wette abdeckte, war im Rückblick eine Achterbahn, deren Heftigkeit nur in einer Minderheit aller künftigen Dekaden erreicht werden dürfte. In den zehn Jahren ereignete sich Folgendes: Die heftigste globale Wirtschafts- und Finanzkrise seit 80 Jahren, die seit 2008 andauernde Malaise der Euro-Zone mit Rekordverschuldung des Staats und der privaten Haushalte in den meisten EU-Staaten, der inzwischen schon wieder vergessene „Flash-Crash“ von 2010, der dramatische Einbruch des Ölpreises ab 2015, erstmalig negativen nominale Renditen bei Staatsanleihen ab 2016, einer (noch nicht abgeschlossenen) europäischen Flüchtlingskrise, einer weiteren Intensivierung des islamischen Fundamentalismus, das Brexit-Votum in Großbritannien (2016), die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten (2017), der Syrien-Krieg im Mittleren Osten und der Nordkorea-Konflikt – um nur die wichtigsten Geschehnisse zu nennen. Mit den beschriebenen Ereignissen gingen naturgemäß auch dramatische Kursstürze und -gewinne einher wie z. B. ein maximaler Kursverlust des globalen Aktienmarktes um real 57% im Februar 2009 oder einer atemberaubende Kurs-Rally von real +78% in den 24 Monaten danach (alle Daten in Euro).

Eines ist also klar: Bei diesem Zehn-Jahres-Zeitraum handelt es sich nicht um Schönwetterdaten. Es gab darin mehr als genug Gelegenheiten für die „Könige der Wallstreet“, eine einfache Buy-and-Hold-Strategie in Form eines S&P-500-Indexfonds-Investments zu outperformen. Mit anderen Worten: Wann nicht dann, wann denn?

Doch schauen wir uns die nackten Zahlen in der nachfolgenden Tabelle an. Sie sind so eindeutig und klar, dass sich eine Kommentierung beinahe erübrigt.

 
Tabelle: Nominale Rendite der Dach-Hedge-Fonds und des Indexfonds in der Zehn-Jahres-Wette zwischen Warren Buffett und Ted Seides (in USD)

► Quelle: Berkshire Hathaway, Annual Report 2017. ► Renditeangaben nach Kosten und vor Steuern, nominal in US-Dollar. ► Die Namen der Dach-Hedge-Fonds wurden gemäß offizieller Wettbedingungen nicht veröffentlicht. ► (1) Renditen für alle Einzeljahre vom 1.1. bis 31.12. ► (2) Endwert eines anfänglich investierten Dollars nach 10 Jahren. ► (3) Relativer Vermögensendwert gegenüber dem Vanguard Indexfonds. ► (4) Geometrische Rendite per annum (Compound Annual Growth Rate).

 

Was gibt es über die Zahlen in der Tabelle zu sagen? Zunächst einmal, dass das Versagen der Elite-Fonds so krass ist, dass sogar wir – ausgemachte Skeptiker gegenüber aktivem Investieren – erstaunt waren:

  • Kein einziger der fünf Dach-Hedge-Fonds konnte den S&P-500-Indexfonds über den Zehn-Jahres-Zeitraum schlagen. (Für die Wette war jedoch nur der Durchschnitt der fünf Dachfonds maßgeblich).
  • Der beste der fünf Dachfonds unterperformte den S&P 500 um 17%, der schlechteste um schockierende 54%.
  • Aus einem anfänglich investierten Dollar wurden im Vanguard-Indexfonds 2,26 Dollar. Dieser Dollar wuchs im Durschnitt der fünf Hedge-Fonds dagegen lediglich auf etwas mehr als die Hälfte (1,38 Dollar).

Hedge-Fonds zeigten sich in den letzten Jahren jedoch nicht nur in der Buffet-Seides-Wette als schlechte Seifenoper. Der gesamte globale Hedge-Fondssektor (gemessen am HFRX Hedge Fund Index) lag in 14 von 15 Kalenderjahren seit 2003 schlechter als der Weltaktienmarkt (MSCI-ACWI-Index). Die kumulative Unterperformance des Hedge-Fonds-Sektors über diese 15 Jahre ist so dramatisch, dass man mit den „Regenmachern“ regelrecht Mitleid bekommen könnte, wäre da nicht das fantastisches Gehalt, mit dem sie für diese Minderleistung bezahlt werden. So etwas gibt es ansonsten nur bei der Deutschen Bank.

Ted Seides, Buffets Wettpartner, stellte sich zum Schluss sogar noch als schlechter Verlierer heraus. Ende 2017 (kurz vor der schon absehbaren Niederlage) verwies er in einem Interview darauf, dass der S&P 500 2007/2008, also in den ersten 14 Monaten der Wette, einen kumulativen Verlust von rund 50% einfuhr, während sein Hedge-Fonds-Portfolio mit etwa –25% nur halb so tief eingebrochen war. Seiner Argumentation zufolge seien im Jahr 2008 viele S&P-500-Anleger „ausgestiegen“ und hätten gar nicht erst an der anschließenden Erholung der Märkte teilgenommen, während Hedge-Fonds-Anleger viel eher „am Ball geblieben“ seien.

Dumm nur, dass diese Behauptung erstens nichts mit den Wettbedingungen zu tun hatte und zweitens, Seides sie für den konkreten Vanguard-Indexfonds nicht belegen konnte. Dennoch sollte der Seides-Einwand uns allen zu denken geben: An den zwar sehr volatilen, aber langfristig hohen Aktienmarktrenditen wird vermutlich nur derjenige teilhaben, der auch tatsächlich kontinuierlich im Markt investiert ist, diese Volatilität also auszuhalten bereit ist. Zwischendurch „aussteigen“ führt weit überwiegend zu langfristigen Unterrenditen. Eigentlich sollte das klar sein. Renditen sind Risikoprämien. Wer kein Risiko tragen will, kann auch keine Rendite haben – außer durch Glück und diesem Glück steht spiegelbildlich genauso zahlreiches Pech gegenüber.

Eine weitere, allerdings nicht neue, Erkenntnis, die indirekt aus der Wette hervorgeht: Die Nebenkosten des Investierens spielen eine zentrale Rolle für den langfristigen Investmenterfolg. Diese Nebenkosten lagen für die Hedge-Fonds vermutlich zwanzigmal so hoch wie für den Vanguard Indexfonds. Die übliche Kosten-Größenordnung für Hedge-Fonds ist 2% Verwaltungsgebühren plus Performance-Gebühr. Letztere schlägt auf lange Sicht mit etwa einem weiteren Prozentpunkt jährlich zu Buche, sofern der Fonds eine mittlere oder gehobene Rendite erzielt (was freilich für die von Seides ausgewählten Dach-Hedge-Fonds in den meisten Jahren nicht der Fall war).

Der Wetteinsatz, der während der Wette als Sicherheitsleistung in amerikanischen Staatsanleihen geparkt war, war zwischen den Parteien einvernehmlich bereits im November 2012 in Anteile an Warren Buffetts Investment-Holding Berkshire Hathaway umgewandelt worden, um den Betrag zu maximieren, der bei Fälligkeit der Wette für einen wohltätigen Zweck gespendet werden sollte. Anfang 2018 flossen auf diese Weise 2,2 Millionen USD an die „Girls Incorporated of Omaha“, eine wohltätige Organisation, die benachteiligte Mädchen im US-Bundesstaat Nebraska fördert.

 

Fazit

Die Wette zwischen Warren Buffett und Ted Seides zeigte einmal mehr, dass konventionelles, also „aktives“ Investieren, typischerweise zu schlechten Anlageergebnissen führt; selbst dann, wenn man die „Besten der Besten“ dafür engagiert. Weil das so ist, hat Warren Buffet – der möglicherweise erfolgreichste aktive Investor der vergangenen sechs Jahrzehnte – testamentarisch verfügt, dass jener Teil seines Vermögens, der an seine Frau fließt, fast vollständig in den Vanguard 500 Index Fund investiert werden soll. Der schlaue Buffett wusste natürlich, dass er die Wette gewinnen würde, denn sie vollzog letztlich nur das nach, was die Wissenschaft vorher vielfach nachgewiesen hatte: Über einen hinreichend langen Zeitraum unterperformen zwischen 70% und 100% aller aktiven Anleger eine korrekt gewählte passive Benchmark und die kleine Minderheit der aktiven „Gewinner“ ist nicht zuverlässig prognostizierbar.

 

Endnoten

[1] Davon dürfte es mehr als 2.000 geben, die seit etwa 1960 publiziert wurden. Die weit überwiegende Zahl dieser Studien sagt: (a) In Summe produzierte aktives Investieren – in seinen unzähligen Variationen – in der Vergangenheit „negatives Alpha“ (führte also in kollektiv zu Anlegerschäden). (b) Es fehlen überzeugende Belege, warum das in Zukunft anders sei sollte.

[2] Dies ist zugleich auch der weltweit erste Indexfonds für Privatanleger überhaupt. Er wurde am 31.08.1976 in den USA aufgelegt. Sein Investmentvolumen betrug im März 2018 gigantische 410 Mrd. USD – beinahe so viel, wie alle rund 300 Fonds der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS zusammengenommen.

[3] Ein Dachfonds (engl. fund of funds) ist ein Fonds, der seinerseits in Fonds, statt in Einzelwertpapiere investiert. Die dahinter liegende Vorstellung ist, dass der Dachfonds-Manager in der Lage ist, die im Zeitablauf besten „Einzelfondsmanager“ auszuwählen. Das bekannteste (herkömmliche) Dachfonds-Haus in Deutschland ist die Sauren Financial Group.

[4] Der exakte Wortlaut der Wette kann dem Jahresbericht von Berkshire Hathaway (Buffets Investment-Holding) entnommen werden (für den Link dazu siehe „Literatur“ weiter unten).

 

Literatur

Berkshire Hathaway Inc.: „Annual Report (2017)“; Internet-Fundstelle: hier (letzter Aufruf am 23.03.2018)

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